Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

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Horst
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Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

Beitrag von Horst »

Ich möchte die Frage stellen: Warum gibt es keine Orgelbausätze mehr?

Nach meinem persönlichen Eindruck scheint das Interesse an Orgeln in Verbindung mit einem herausragenden Piano- und Hammondklang wieder zu wachsen.

Orgeln sind heute zwar überwiegend softwaregesteuert, es gibt doch aber immer noch mehr als genug für die große Gemeinde der Bastler beim Aufbau einer Orgel zu tun. Die ganze Peripherieelektronik, Tastaturen, Gehäuse usw kann von den Selbstbauern erstellt werden. Man würde dann auch wieder zu vernünftigen Preisen kommen. Wenn ich die Preislisten von BÖHM und auch - es sei erlaubt - von WERSI betrachte, wird mir schon ein wenig schwindelig. Ich halte das Preisniveau auch nicht für gerechtfertigt. Ein Verstärker für 1000 € in einer Orgel ist nun wirklich nicht nötig. Den kann man auch selber bauen. Netzteile usw, alles kein Problem.

Wie sehen das die Leser?

Gruß
Horst

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Claus Riepe
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Re: Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

Beitrag von Claus Riepe »

Hallo Horst!

diese Frage wurde schon vielfach diskutiert, auch firmenintern. Die Gründe dafür, dass es keine Bausätze mehr gibt:

- Die Anzahl derer, die wirklich noch bauen möchten, ist heute sehr gering. Die meisten Kunden erwarten ein fertiges und funktionierendes Instrument in einer ordentlichen Qualität.
- Viele Bauteile / Baugruppen gibt es heute gar nicht mehr in Versionen, die ein Laie ohne Spezialwerkzeug verbauen könnte (ICs etc.)
- mit der ganzen Logistik rundherum wäre eine Bausatzversion heute wahrscheinlich kaum billiger, oder gar teurer als ein fertiges Instrument.
- die Anforderungen an Betriebssicherheit, Umweltverträglichkeit, CE usw. sind heute so hoch, dass man bei einem Bausatzsystem wahrscheinlich als Hersteller immer mit einem Bein im Knast stünde :)

Und dennoch sind die Instrumente ja zumindest noch nachrüstbar (wird heute aber in der Regel auch vom Werk oder Händler erledigt) und können somit auch technisch erneuert werden.

Viele Grüße,

Claus
digital:
SEMPRA SE100 / SE10DB
Overture stage
analog:
Böhm Professional 2000
Böhm DnT - Original Ady Zehnpfennig
Böhm CnT/L

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Kleinferdinand
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Re: Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

Beitrag von Kleinferdinand »

Hallo Horst,

damals konnte man noch mit einem dicken Lötkolben, Seitenschneider und Schraubendreher in mühsamer Kleinarbeit eine Star- oder Topsound - Orgel zusammen bauen.
Heute mit der Komplexität der Instrumente und der SMD- Technik würde selbst ich als Fachmann mir einen Neuaufbau
so ohne weiteres nicht zutrauen.

Aber es gibt noch genug Möglichkeiten selbst Hand anzulegen, bei den ganzen (Hardware-) Erweiterungen nämlich:
Du kannst das Amadeussystem selbst installieren, qnamic nachrüsten, Floppy gegen USB Drive austauschen, Zugriegel
erneuern, mit B&O Endstufen evtl. Quadro aufrüsten, Mega Flash verdoppeln, Crystalmixer und CF- Laufwerk nachbauen usw.
Und jede Menge Software-Neuheiten wollen auch zum Laufen gebracht werden.

Also es gibt noch genug zu tun, wenn man möchte, neben dem reinen Orgelspielen.

Gruß

Bernd

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flordieter
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Re: Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

Beitrag von flordieter »

Hallo Horst,

da sprichst Du ein schwieriges Thema an. Ich habe früher zwei Orgeln selbst gebaut (Böhm StarSound und Wersi Omega), das war damals ein schönes Hobby, hat aber jeweils einige Wochen gedauert. Und wenn ich an den Aufwand der Firma denke, die ganzen Baupläne zu entwickeln und alle Bauteile einzutüten (fehlerlos!!!), ob das heute noch bezahlbar wäre?
Und dann bin ich ja (Gewerbe)-Lehrer für Elektronik und Computertechnik (jetzt allerdings pensioniert).
Früher haben wir mit den Schülern Schaltungen aufgebaut, teilweise berechnet und analysiert, ob Netzteile, Verstärker oder komplexe Digitalschaltungen. Und was haben wir überwiegend die letzten Jahre gemacht? Alles am PC mit Software simuliert. Und ich muss sagen, das hat auch was. Professionelle Simulationssoftware kann heute unheimlich viel!!! Aber es fehlt der Bezug zum Bauteil!
Ich habe noch ein komplettes Elektroniklabor im Hobbyraum (fast alles selbst gebaut, teilweise auch selbst entwickelt) Aber es liegt weitgehend brach, ich brauche es kaum noch.
Moderne Platinen sind vom Normalbürger wie mich nicht mehr bearbeitbar. An einer Multilayerplatine herumzulöten ist meistens tödlich (für die Platine). Und bei SMD habe ich nicht mehr mitgemacht, da würde ich ohne Lupe keine Bauteile finden, dazu bin ich nun zu alt.
Eigentlich darf man aus Umweltschutzgründen nicht einmal mehr eine Platine daheim selbst herstellen! Da geht dann auch der Spaß verloren.

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass das Elektronikbasteln langsam ausstirbt und wenigen Spezialisten vorbehalten bleibt.
Also doch lieber die Orgel fertig kaufen und bei Bedarf mal Fehler suchen. Aber das war bei den selbst gebauten Orgeln halt auch viel einfacher!

Gruß Rolf
WERSI Sonic OAX 500 mit Vocalis-Lautsprecher und digitaler Notenanzeige mit AtmoByte
früher: Böhm StarSound DS, danach Wersi Omega und viele Jahre Böhm 280 CT

Horst
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Re: Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

Beitrag von Horst »

Guten Morgen Rolf,

vielen Dank für die ausführlichen Zeilen. Das mit der Fehlersuche ist bei Selbstbauorgeln leider nicht einfacher. Vielleicht kannst mal weiter unter unter ältere Orgeln (MD 1000) schauen. Ich bemühe mich derzeit - leider - verzweifelt, meine alte MD 1000 XL wie der zum Laufen zu bringen.

Gruß
Horst

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flordieter
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Re: Warum gibt es keine Selbstbauorgeln mehr?

Beitrag von flordieter »

Hallo Horst,

das "einfacher" hat sich auf zwei Dinge bezogen:
1. es gab damals noch kein SMD (und meist auch kein MultiLayer)
2. durch den Selbstbau kannte ich meine Orgel sehr gut. Bei der StarSound z.B. waren sehr ausführliche technische Unterlagen mit Erklärung dabei. Ich glaube nicht, dass das heute noch so ausführlich dargestellt wird.

Gruß Rolf
WERSI Sonic OAX 500 mit Vocalis-Lautsprecher und digitaler Notenanzeige mit AtmoByte
früher: Böhm StarSound DS, danach Wersi Omega und viele Jahre Böhm 280 CT

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